AI Agents: Chancen, Grenzen und echte Praxisbeispiele

Fünf Cartoon-Roboter arbeiten in einem Büro, lesen Papiere, telefonieren, tragen eine Werkzeugkiste und analysieren Diagramme an der Wand in einem hellen, aufgeräumten Raum.

Stell dir vor, es ist 02:57 Uhr morgens…

Dein Moderations-Team fürs Online-Forum schläft tief und fest – aber dein AI-Agent ist hellwach und blockiert die neueste Betrugsmasche eines Spammers. Was passiert, wenn künstliche Intelligenz nicht nur antwortet, sondern selbst aktiv wird? In den nächsten zehn Minuten erfährst du, warum AI Agents immer wichtiger werden – und wo sie gern mal über ihre eigenen Füsse stolpern.

Was sind AI Agents überhaupt?

Ein AI Agent ist eine autonome KI-Komponente, die eigenständig Ziele verfolgt, Werkzeuge einsetzt und Entscheidungen trifft. Stell dir einen extrem motivierten Praktikanten vor – nur ohne Kaffee- und Ruhepausen.

Technisch gesprochen besteht ein AI-Agent meist aus:

  • LLM (Large Language Model): Das Gehirn des Ganzen.
  • Tool-Layer: Werkzeuge und Schnittstellen (APIs, Apps).
  • Memory: Schritt-übergreifendes Gedächtnis.
  • Autonomität: Befugnis, den Lösungsweg zum Ziel selbst zu beschreiten.

Warum gerade jetzt?

Die rasanten Entwicklungen von LLMs – insbesondere die Fähigkeit zu planen, zu analysieren und mit Werkzeugen zu interagieren – kombiniert mit stabilen, gut dokumentierten APIs, machen AI Agents heute erstmals wirklich erschwinglich und praxistauglich.

Doch mit der technischen Machbarkeit kommt eine neue Herausforderung: Agents sind nur dann wirklich nützlich, wenn sie nicht nur allgemein „schlau“ sind, sondern spezifisches Domänenwissen besitzen. Ein Support-Agent, der die Kundensprache spricht, aber nichts über interne Prozesse weiss? Schnell frustrierend. Ein Research-Agent ohne Zugang zu fachspezifischen Quellen? Eher Spielerei als echter Nutzen.

Deshalb ist die Kombination aus leistungsfähiger Technologie und tiefem Fachkontext entscheidend. Die erfolgreichsten Agenten entstehen aktuell dort, wo dieser Kontext systematisch eingebaut wird.

Von der Theorie zur Praxis: 3 Agenten-Beispiele

1. Migipedia SPAM-Detection – Der 24/7-Bodyguard

Die Online-Community Migipedia der Migros erhält täglich Tausende neue Nutzerbewertungen zu Produkten. Dabei tauchen regelmässig Spam und unerwünschte Beiträge auf, die von Menschen allein nicht zuverlässig und schnell genug entdeckt werden können. Unser AI-Agent erkennt diese Beiträge automatisch in Echtzeit, klassifiziert sie zuverlässig und leitet kritische Fälle sofort an das Moderationsteam weiter. So bleibt die Community sauber und die Moderatoren können sich auf anspruchsvollere Aufgaben konzentrieren.

2. PHLU Interview-Chatbot mit Supportteam

Die Pädagogische Hochschule Luzern (PHLU) setzt unseren AI-Agenten in der Forschung ein, um Interviews mit Studierenden effizienter zu gestalten. Der Open-Source Chatbot führt eigenständig semi-strukturierte Interviews durch und stellt vertiefende Fragen. Im Hintergrund unterstützen den Chatbot ein Moderator-Agent, er verhindert das Abschweifen vom Interview-Thema, und ein Agent welcher die wichtigsten Erkenntnisse der Studierenden im Gedächtnis hält um im fortgeschrittenen Interview darauf aufzubauen. Das spart Forschenden enorm viel Zeit und erhöht gleichzeitig die Konsistenz und Qualität der erhobenen Daten.

3. SMARTalks: Vom Lunch-Talk zum Blogpost

SMARTalks sind lockere, informative Mittagstalks, die wir regelmässig in Schweizerdeutsch aufzeichnen. Unsere Agenten verarbeiten diese Videoaufnahmen und erstellen daraus automatisch hochwertige Blogartikel. Dabei meistern sie Dialektvarianten und erstellen gut lesbare Texte, die bereits kurz nach dem Event veröffentlicht werden können. Somit werden wertvolle Insights schnell und unkompliziert zugänglich gemacht.

Stolpersteine: Wo Agents noch auf die Nase fallen

AI Agents haben enormes Potenzial – aber sie bringen auch ganz eigene Herausforderungen mit sich. Hier sind die häufigsten Stolpersteine, die du kennen solltest, und was du dagegen tun kannst:

Halluzinationen

AI Agents erfinden manchmal schlichtweg Dinge. Das liegt in der Natur der LLMs, die Muster aus Sprache ableiten und Fakten nicht prüfen. In sensiblen Bereichen kann das fatale Folgen haben.

Tipps zur Mitigation:

  • Nutz eine zweite LLM, um den Output der ersten zu prüfen (z. B. Fact-Checker-Setup).
  • Weise Agents verpflichtend an, Quellen für Aussagen anzugeben.
  • Erlaube menschliches Feedback und bau eine Schleife ein, in der User fragwürdige Inhalte melden können.

Kosten & Latenz

AI Agents können schnell teuer und langsam werden, besonders wenn sie grosse Modelle bei jeder Kleinigkeit anwerfen oder unnötig grosse Kontexte verarbeiten.

Tipps zur Mitigation:

  • Verwende kleinere, spezialisierte Modelle für Routineaufgaben und reservier grosse Modelle nur für kritische Pfade.
  • Setz Caching-Strategien für häufige Requests ein.
  • Überwache und limitier Kontextlängen gezielt, um Token-Kosten zu senken.

Evaluation

AI-Systeme sind nicht deterministisch – die gleiche Eingabe kann zu leicht unterschiedlichen Ausgaben führen. Ein einfacher „grüner Haken“-Test reicht hier nicht.

Tipps zur Mitigation:

  • Definier klare Aufgaben und Use Cases, die sich objektiv bewerten lassen, um Modelle mit neuen Versionen zu vergleichen.
  • Nutz Score-Metriken und Benchmarks statt binärer richtig/falsch-Tests.

Agent Drift (Death Spiral)

Wenn AI Agents mehrere Schritte ohne Zwischenkontrolle ausführen, können sich kleine Fehler summieren. Das Resultat? Ein Agent, der zwar fleissig, aber völlig am Ziel vorbei arbeitet.

Tipps zur Mitigation:

  • Führe regelmässige Zwischenprüfungen ein (z. B. alle 3-5 Schritte).
  • Lass den Agenten bei jedem Schritt das ursprüngliche Ziel kurz validieren, bevor er fortfährt.
  • Etabliere Rückfallstrategien („Rollback“) bei Zielabweichung.

Datenschutz

Gerade in Unternehmen ist der reflexartige Griff nach „allen Daten“ gefährlich – nicht nur technisch, sondern auch rechtlich.

Tipps zur Mitigation:

  • Füttere den Agenten nur mit den Daten, die wirklich nötig sind.
  • Nutze Modelle, die deine Datenschutz-Standards erfüllen (z. B. On-Prem oder EU-hosted).

Tool-Chaos

Ein Agent ist nur so stabil wie die APIs und Tools, auf die er zugreift. Wenn ein Tool sich ändert oder eine Schnittstelle ausfällt, steht der Agent im schlimmsten Fall hilflos da.

Tipps zur Mitigation:

  • Integrier regelmässige Tool-Checks in deinen DevOps-Prozess.
  • Lass den Agent selbst melden, wenn ein Tool nicht wie erwartet funktioniert (Self-Monitoring).
  • Nutz robuste Wrapper und Fallback-Mechanismen, um Ausfälle abzufangen.

Tipps für deinen ersten AI-Agenten

Dokumentiere Prozesse klar, bevor du automatisierst
Nur wer seine bestehenden Abläufe versteht, kann sie sinnvoll automatisieren. Halbfertige oder unklare Prozesse führen zu fehleranfälligen Agents.

Human-in-the-Loop
Für alle kritischen Pfade sollten Menschen Feedback geben oder Entscheidungen kontrollieren können. Das schafft Sicherheit und Vertrauen.

Bessere LLMs sind nicht immer die Antwort
Ein grösseres Modell allein bringt keinen nachhaltigen Vorteil, wenn das Gesamtsystem schwach ist. Investiere in Tools, Datenverarbeitung und systemische Robustheit.

Der Gap zwischen Pilot und Produktion ist grösser als du denkst
Was in der Demo gut aussieht, skaliert nicht automatisch. Plane für echte Nutzerzahlen, Datenschutz, Kosten und Systemintegrationen.

Speed > Perfektion
Lass dich nicht vom Wunsch nach Perfektion bremsen. Ein funktionierender MVP für einen Teilprozess mit schnellem Feedback bringt dich weiter als der perfekte Gesamtprozess auf dem Papier.

Verständnis im Betrieb zählt doppelt
Setze auf Logs, Telemetrie und nachvollziehbare Entscheidungswege – so kannst du Qualität und Vertrauen auch langfristig sichern.

UX & Wow-Faktor nicht vergessen
Ein technisch guter Agent nützt nichts, wenn er nicht genutzt wird. Integriere ihn sinnvoll in bestehende Workflows und sorge für Aha-Erlebnisse.

Sei ambitioniert
Jetzt ist der Moment, Grosses zu wagen. Die Technologie reift – und mit ihr dein Vorteil, wenn du heute mutig experimentierst.

Während du schläfst, arbeitet dein Agent

AI Agents sind heute mehr als nur digitale Helferlein. Sie verändern Prozesse, sparen Zeit und eröffnen neue Möglichkeiten. Jetzt ist der ideale Zeitpunkt, um erste Erfahrungen zu sammeln.

Bereit für deinen ersten AI-Agent-Prototyp? Wir helfen dir gern dabei!

Geschrieben von
Mirco Strässle

Artificial Intelligence|Mai 2025

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