Apertus: Was du über das Schweizer AI Modell wissen musst

In der Welt der Künstlichen Intelligenz jagen sich die Superlativen. Fast wöchentlich hören wir von neuen, noch leistungsfähigeren Modellen grosser internationaler Tech-Konzerne. Inmitten dieser Nachrichten sorgt eine Entwicklung aus der Schweiz für Aufmerksamkeit: das AI-Sprachmodell Apertus.
Für uns haben sich aus dieser Neuigkeit natürlich einige Fragen ergeben. Was kann Apertus wirklich? Wo steht es im Vergleich zu anderen Modellen? Und vor allem: Wann ist es für ein Projekt eine sinnvolle Option?
Der Kern von Apertus: Transparenz als Prinzip
Apertus wurde von führenden Schweizer Forschungsinstituten (ETH Zürich, EPFL, CSCS) entwickelt. Sein wichtigstes Merkmal ist nicht die Leistung, sondern sein Bekenntnis zu vollständiger Offenheit. Der Name ist Programm: Apertus ist Lateinisch für Offen.
Doch was heisst das genau? Viele bekannte Modelle, auch im Open-Source-Bereich, sind nur "Open Weight". Das bedeutet, Du kannst das trainierte Modell herunterladen und nutzen. Apertus geht einen entscheidenden Schritt weiter: Auch die Trainingsdaten, die Methoden und der Code sind vollständig transparent und dokumentiert. Du weisst also nicht nur, dass das Modell etwas kann, sondern auch, womit es sein Wissen erlernt hat.
Dieser Fokus auf Transparenz und eine nachvollziehbare Herkunft ist in der KI-Welt alles andere als selbstverständlich. Hinzu kommt ein klarer Fokus auf Mehrsprachigkeit, der auch Schweizer Eigenheiten wie Rätoromanisch und Schwiizerdütsch berücksichtigt.
Die Sache mit dem Datenschutz
Eine der drängendsten Fragen beim AI-Einsatz ist die Datensicherheit. Die Möglichkeit, ein AI-Modell auf den eigenen Servern oder in einem Schweizer Rechenzentrum zu betreiben, ist hier die technische Antwort.
Hier müssen wir klar sein: Diese Möglichkeit bieten auch andere starke Open-Source-Modelle wie z.B. die Gemma Modelle von Google, Modelle von DeepSeek oder gpt-oss von OpenAI. Du bist also nicht auf Apertus angewiesen, um eine datenschutzkonforme, selbstgehostete AI-Lösung zu betreiben.
Der entscheidende Unterschied bei Apertus liegt im Vertrauen in die Herkunft des Modells, wie ein Blick in den technischen Report aufzeigt. Darin verstecken sich einige Entscheidungen der Entwickler, die weit über die üblichen Rechts- und Ethikstandards hinausgehen.
- Datenschutz mit Weitsicht: Der "Hindsight"-Ansatz
Ein Detail sticht besonders hervor und hebt Apertus von fast allen anderen Open-Source-Modellen ab: Der Umgang mit den Trainingsdaten. Die Entwickler haben die Opt-Out-Wünsche von Webseitenbetreibern (via robots.txt) nicht nur für die Zukunft respektiert, sondern sie rückwirkend auf alle Datenarchive seit 2013 angewendet. Einfach gesagt: Wenn eine Webseitenbetreiberin heute entscheidet, dass ihre Inhalte nicht für AI-Training genutzt werden sollen, wurden ihre Daten aus dem gesamten Trainingsprozess entfernt. Dieser "Respekt mit Rückwirkung" minimiert rechtliche Risiken erheblich. - Ein eingebautes Vergessen: Schutz vor Copyright-Pannen
Viele Unternehmen sorgen sich, dass eine AI versehentlich urheberrechtlich geschützte oder private Daten ausgibt, die sie im Training "auswendig gelernt" hat. Dem wirkt Apertus aktiv entgegen: Durch eine spezielle Trainingsmethode, im Report "Goldfish Objective" genannt, wurde dem Modell das wortwörtliche Memorieren von Textpassagen gezielt erschwert. Die Tests bestätigen, dass das Risiko einer solchen unbeabsichtlichten Wiedergabe von Trainingsdaten signifikant reduziert ist. Es ist keine blosse Hoffnung, sondern ein eingebautes Design-Merkmal für mehr Sicherheit. - Die 'Swiss AI Charter': Klare Werte
Die Ausrichtung an "Schweizer Werten" ist bei Apertus mehr als ein Marketing-Slogan. Der Report enthüllt die Entwicklung einer "Swiss AI Charter" – ein Regelwerk, das direkt auf Schweizer Verfassungswerten wie Neutralität, Konsensfindung, Föderalismus und Datenschutz basiert. Diese Charta wurde sogar in einer Umfrage von Schweizer Bürgerinnen und Bürgern mit überwältigender Mehrheit (durchschnittlich 97,3 % Zustimmung) validiert. Sie dient dem Modell als Leitfaden für den Umgang mit schwierigen oder kontroversen Themen.
Die Wahl für Apertus ist also weniger eine technische als eine strategische Entscheidung: Man setzt auf ein Modell, dessen Entstehungsprozess auf lokale Werte wie Transparenz und rechtliche Konformität ausgerichtet ist.
Eine ehrliche Leistungseinschätzung: Solide, aber nicht an der Spitze
Wie schlägt sich Apertus im direkten Leistungsvergleich? Die Benchmarks aus dem technischen Report bestätigen unsere erste Einschätzung und liefern ein klares Bild:
- Im Vergleich zu proprietären Modellen wie den neuesten von OpenAI, Anthropic oder Google besteht weiterhin eine Leistungslücke, besonders bei komplexen logischen Schlussfolgerungen.
- Auch im Feld der Open-Source-Modelle positioniert sich Apertus aktuell im soliden Mittelfeld. Modelle in einer ähnlichen Grössenordnung zeigen in globalen Benchmarks für Mathematik oder Programmierung teils eine höhere Performance.
Der Report zeigt aber auch die spezifischen Stärken: Bei Tests, die kulturelles und regionales Wissen abfragen, schneidet Apertus überdurchschnittlich gut ab. Dies bestätigt, dass der Fokus auf mehrsprachige und europäische Daten Früchte trägt.
Ein wichtiges Fundament
Apertus ist kein "ChatGPT-Killer" aus der Schweiz. Es ist aber ein solides und vertrauenswürdiges Fundament auf dem aufgebaut werden kann. Es beweist, dass in der Schweiz das Know-how vorhanden ist, eigene, souveräne AI-Technologie zu entwickeln.
Wir sehen unsere Rolle darin, die beste Lösung für Deine spezifischen Bedürfnisse zu finden. In Projekten, in denen maximale Performance oder tiefe Betriebskosten entscheidend sind, werden wir möglicherweise weiterhin andere Modelle empfehlen.
Doch bei hohe Anforderungen an Datenschutz, Transparenz und rechtlicher Sicherheit, ist mit Apertus neu eine tolle Option vorhanden um AI einzusetzen ohne viele der bisherigen Bedenken.
Du hast Apertus noch nicht selbst ausprobiert? Auf https://publicai.co/ ist Apertus öffentlich zugänglich und bereit von dir getestet zu werden.

Geschrieben von
Mirco Strässle